Auf dem Hang des Dombergs (Toompea) gab es schon im 11. Jhd. eine Festung, und in der Nähe des Rathausplatzes befanden sich eine Siedlung sowie ein eingezäunter Markt. In der Nähe gab es zwei Warenhöfe – einen skandinavischen und einen russischen Markt.
Mit der Ankunft der Kreuzritter im Jahre 1219 wurden auf dem Domberg ein Schloss und eine Domkirche errichtet. Eine erste Festungsmauer um den Domberg wurde 1229 angelegt. 1265 wurde die erste Festungsmauer in der Unterstadt auf Wunsch der Königen Margaretha erbaut. Die heute noch erhaltene Festungsmauer stammt aus dem 14. Jhd. Zu dieser Zeit entstand eine Stadt, die aus zwei unabhängigen Teilen bestand: die Hauptstadt Toompea (Domberg bzw. Oberstadt) des estnischen Herzogtums und die Hansestadt Reval in der Unterstadt.
Die wichtigste Periode in der Entwicklung der Tallinner Architektur waren das 13. bis 16. Jhd. Die gotische Architektur Tallinns wurde von der Architektur der Insel Gotland, des Niederrheins, Westfalens und später der Hansestädte und des Deutschen Ordens beeinflusst. Als Besonderheit kam ein einheimisches Baumaterial hinzu: der Kalkstein.
Im 14. Jhd. war aus dem Tallinner Schloss eine der mächtigsten Festungen des Livländischen Ordens geworden. Die Anlage des Schlosses, die architektonische Strenge und Einfachheit machten es zum Vorbild für andere Verteidigungsanlagen der Region. Lediglich die westliche und die nördliche Außenmauer blieben von späteren Umbauten verschont, ebenso drei Türme, von denen ein Turm das Symbol Estland ist: der Lange Hermann (Pikk Hermann).
Im 15. Jhd., in der Spätgotik, entstanden das Rathaus, das Haus der Gilde, Kloster- und Wohngebäude. Charakteristisch sind in die Höhe gezogene Fassaden mit hohen Gauben. Zum Großteil bestanden die Häuser aus zwei Zimmern, einer Diele und Dornse (beheizter Raum). Die Diele – ein großer Raum über zwei Stockwerke mit Ofen an der Rückwand – wurde vor allem als Kontor oder Werkstatt genutzt. Dahinter befand sich die Dornse – ein Wohnraum mit Kaloriferheizung. Das Obergeschoss, der Keller und der Dachboden wurden als Lagerräume genutzt.
Derartige Häuser entstanden zunächst auf der Pikk Str. (Haus der drei Schwestern, Pikk Str. 71), auf der Lai Str. (Haus der drei Brüder, Lai Str. 38, 40, 42) und auf dem Alten Markt (Vater und Sohn, Kuninga Str. 1).
Die Tallinner Altstadt ist Teil des UNESCO-Welterbes als gut erhaltene mittelalterliche Stadt. Es handelt sich nicht nur um eine einzigartige Stadt im Ostseeraum, sondern in ganz Europa.
Beispiele gotischer Architektur in Tallinn:
- Rathaus (15. Jhd.), Raekoja 1.
- Domkirche (15. Jhd.), Toom-Kooli 6.
- Museum des Heiligen Nikolaus = Niguliste-Museum (1420), Niguliste 3.
- Kirche des Heiligen Olafs = Olaikirche (15. Jhd.), Pikk 65 / Lai 50.
- Heiliggeistkirche (15. Jhd.), Pühavaimu 2.
- Haus der Großen Gilde (1417), Pikk 17.
- Haus der Heiligen Olaigilde (1422), Pikk 24.
- Klostergebäude der Heiligen Katharina (Dominikaner) (14.–15. Jhd.), Vene 12/14.
- Neues Leprosenhaus (16. Jhd.), Rüütli 7/9.
- Pferdemühle (14.–18. Jhd.), Lai 47.
- Ravelins (Wallschilde) des Heiligen Birgittenklosters (1417), Merivälja tee 18.